Ab in die Walachei!

 Rumänien, ein Reisebericht │ Beitrag: Dr. Margot Imhäuser

26 mal 206 Gebeine klapperten sich aus tiefer Ruhe widerwillig zu mehr oder weniger arthrotischen Gelenken zusammen. Graf Dracula, der Vater aller blutsaugenden Vampire, riss in tiefer Nacht zwischen zwei und drei Uhr im einstmals standesgemäßen Bad Godesberg und Umgebung ebenso abenteuerfreudige wie leidensbereite Clubmitglieder rund um ihren unerschrockenen und allzeit fürsorglichen Beschützer Falk Schweitzer per schnödem Wecker aus unschuldigem Schlummer, um sie in sein schroffes, wolkenverhangenes Reich zu rufen.

Sie folgten willig, besuchten seinen legendären Stammsitz Schloss Bran aber vorsichtshalber nur von außen, zumal in den meisten von ihnen (aber keineswegs allen) das bei Vampiren so hochgeschätzte rote Blut rollte, was sie schon wieder zur Risikogruppe machte. Eine glückliche Fraktion immuner Mitreisender konnte diesbezüglich entspannt bleiben. Vampire sind Feinschmecker. Loden wirkt wie Weihwasser und Knoblauch antivampiral.

 

Vor die Walachei hatte die Reiseleitung allerdings Transsilvanien, die Bukowina und die Moldau gesetzt, wovon zu berichten sein wird. Die Lufthansa brachte uns etappenweise (via München) nach Hermannstadt (Sibiu), Weltkulturerbe und kulturelles Herz, wenn auch nicht Hauptstadt, Siebenbürgens. In einfühlsamster Weise durften Magenschleimhäute und Zähne zunächst bei der monochromen Sinfonie von Hummus, Kartoffelbrei und Vanillepudding im Hermannstädter Hotel weiterschlummern, um später energisch mit den Herausforderungen rumänischer Küche wie Krautwickeln, Polenta, Placinta (von dem man nur hoffen kann, dass er Mutterkuchen nur heißt, aber nicht ist!), Cevapcici, Schafskäse, Bohnen und Speck, also ehrlicher, deftiger Bergbauernkost, konfrontiert zu werden. Gespült wurde vorwiegend mit Wein und Tuica (gesprochen Zuica), dem sanften Pflaumenschnaps, in vorwiegend ungarischen Landesteilen als Palinka getrunken. Unser guter Hirte Falk Schweitzer sollte im Verlauf unserer einwöchigen Rundreise durch das Hirtenland Rumänien immer wieder mit kleinen kulinarischen Kostproben schön Wetter machen (was leider nur metaphorisch gelang). Am beliebtesten war der knusprig-warme Baumstriezel (Cozonac secuiesc), eine überzeugende siebenbürgisch-szeklerische Weiterentwicklung unseres traditionell außen verbrannten, innen rohen Lagerfeuer- Stockbrots.

 

Nicht nur die kulinarischen Unterschiedlichkeiten, sondern die ganze komplizierte historische, ethnographische, sprachliche, kulturelle,  politische, soziologische Entwicklung des rumänischen Völkergemischs entfaltete und entwirrte uns unser vielseitig beschlagener rumänischer Reiseleiter Christian, der uns in glühendem Patriotismus Land und Leute ans Herz wachsen ließ: „Die Überlebenswahrscheinlichkeit in unseren Krankenhäusern ist 50%“, „Gehen Sie schnell ins Museum, solange es nicht wegen Geldmangel geschlossen wird!“ (In der Tat, als eine kleine Gruppe, die wusste, was sie ihrer Mitgliedschaft im Internationalen Club schuldig ist, sich vor dem Bukarester Dauerregen ins Nationalmuseum flüchten wollte, stellte sie fest: Geschlossen! Der liebe Gott nahm die gute Absicht als Tat und schenkte auch diesen Menschen ein labendes Bier im Brauhaus, wohin die schon besser naturalisierten Reisegefährten lebensklug ihre Schritte gleich gelenkt hatten.) „Bevor Renault die Firma Dacia übernahm, kamen die Dacias schon kaputt vom Fließband. Statt Kirchenglocken hört man sonntags in Rumänien überall hämmern, dann liegen die Rumänen unter ihren Autos und reparieren sie. Deshalb sind die Rumänen so gute Mechaniker. Sie können selbst Türen verschlossener Autos öffnen.“. „Mühlbach ist eine Fossilienstätte. Jetzt sitzen die Dinosaurier im Parlament“. „An der Transfogarascher Hochstraße sitzen die Bären am Straßenrand und warten auf die Touristen für ein Selfie.“ ….

Er versorgte uns auch bestens mit allen pikanten Details aus Politik und Gesellschaft, erzählte von den Liebhabern der schönen Königin Maria und ungeklärten Vaterschaften, angeblichen rumänischen Romanzen des englischen King Charles, dem Meuchelmord der ehrgeizigen Elisabeth Movila an ihrem Schwager Simion, ihren offenbar unverweslichen Haaren (wie eine Reliquie in einer Silberkapsel im Museum von Kloster Sucevita ausgestellt) und ihrem Ende in einem ottomanischen Harem, den abenteuerlichen medizinischen Ausreden für das Lotterleben von Karl II (Aha, Priapismus also, der Ärmste..), die Gefallsucht des rumänischen Schauspielers Radu Duda, durch Heirat mit Margareta jetzt „Seine Königliche Hoheit Prinz Radu von Rumänien“, die Geschäftstüchtigkeit von „Niki“, genauer Dominic von Habsburg-Lothringen und seine Verwandlung des braven habsburgischen Schloss Törzburg in ein Dracula- Phantasialand, der Hautcreme von Elena Ceausescu („Gerovital“ von Ana Aslan), von Bestattungsunternehmen in Mediasch und Freudenhäusern in Neumarkt und, und, und…. Christian erwies sich als gleichermaßen gewiefter Historiker wie gut aufgelegter, informierter und ab und zu auch bissiger Klatschreporter.

 

Uns schwirrte der Kopf von den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, den „Siebenbürger Sachsen“, den „Banater Schwaben“, den „Szeklern“ (die ich mir in der ersten Wochenhälfte als „Säckler“ mit dickem Nikolaussack auf dem Rücken vorstellte), den „Landlern“, den den  Szeklern entstammenden katholischen „Tschangos“ in der Bukowina, den Armeniern, den Moldaudeutschen, den Bessarabiendeutschen, den Bukowinadeutschen, den Banater Berglanddeutschen, den „Sathmarer Schwaben“, den „Dobrudschadeutschen“, den als  „Drähte“ verspotteten nach Siebenbürgen ausgewanderten Moldawiern, natürlich den vielen hier „Zigeuner“ genannten Roma….

 

Wir erfuhren von Mamaliga, von Cozonac, von Sarmale, von Salam de Sibiu, von Tuica, Zacusca, von Placinta und Palinka, den rumänischen Köstlichkeiten, aber auch von Johann Hunyadi, den Schlössern der Familien Kantakuzanos und Teleki, von Stefan dem Heiligen, dem Athleten Christi, aber auch von stillen lebenden Athleten wie Eginald Schlattner. Wir erfuhren, inwiefern die Moldawier politisch an zwei Brüsten saugen und warum in der Moldau 300 Jahre alter jüdischer Kiddusch- Wein unterirdisch lagert, warum ein moldawisches Kloster Fresken griechischer Philosophen ziert und eine orthodoxe Kirche in Rumänien Maßwerkfenster wie eine gotische Kathedrale haben kann, wieso in manchen Kirche nicht eine, sondern fünf Orgeln stehen und Teppiche von den Emporen hängen, woran man erkennt, dass das Voronet-Blau nicht von gemahlenem Lapislazuli, sondern Azurit stammt, inwiefern eine orthodoxe Liturgie einem Ballett gleicht, wieso die Schrift auf den Glasikonen von Sibiel spiegelverkehrt erscheint und wie Angela Merkel auf ein rumänisches Osterei kommt, wieso Kesselflicker Paläste bauen und Mercedessterne auf den First montieren, warum man durch bestimmte Orte mit geschlossenen Autofenstern fuhr, wo die tonnenschweren Vorhänge des Parlamentspalastes gewebt wurden.. . Den Leser schwindelt bereits jetzt? Es kommt schlimmer.

 

Wer mehr verträgt, den möchte ich im Eilzug auf unsere Reisestationen mitnehmen, allerdings, so richtig Rumänien kann das nicht werden, denn laut Christian zuckelt der Personenzug mit circa 20 km/h, der ICE mit 50 km/h durchs Land. Schnell geht hier gar nichts (außer dem Öffnen verschlossener Autotüren vielleicht), schon gar nicht die Frömmigkeit. Man hat die Wahl zwischen fünf Stunden in der rumänisch-orthodoxen oder zwei Stunden in der griechisch-katholischen Kirche. Danach braucht man dann aber wirklich einen Tuica!

 

Ziel unserer Clubfahrt wurde Rumänien wegen der Dichte an Welterbestätten, von denen wir viele besuchen konnten. Wir fuhren dabei durch Transsilvanien (Siebenbürgen), die Moldau mit dem zu Rumänien gehörigen südlichen Teil der Bukowina (der Norden gehört zur Ukraine) und die Walachei mit Bukarest.

 

Kulturelle Schwerpunkte unserer Reise waren

     die siebenbürgischen Straßendörfer der „sächsischen“ (deutschstämmigen) Bevölkerung, die ab dem 12. Jahrhundert vorwiegend aus dem Rhein-Moselgebiet eingewandert war (ursprünglich angeworben zum Schutz gegen Tartaren Einfälle), mit ihren großen Toreinfahrten, Krüppelwalmdächern sowie ihren wehrhaften protestantischen Kirchenburgen, Wehrkirchen und Bauernburgen.

     die ungarische Szekler-Kultur mit ihren kunstvoll geschnitzten Toren. Das sind Großtore mit typischer Zimmermannstechnik, die sich aus den mittelalterlichen Stadt -, Burg- und Hoftoren entwickelt haben. Ab dem 17. Jahrhundert wurde der Szekler Tortyp mit seinen ausgeprägten geschnitzten Ornamenten und der aufwendigen Verzierung des sog. Torspiegels über dem kleinen Tor zu einem Kulturgut des Szeklerlandes. Kennzeichnend sind die Löcher am Querholz, die den verstorbenen Seelen wie den Tauben Durch- und Unterschlupf bieten.

     die orthodoxen Moldauklöster mit ihren faszinierenden Außenfresken und kontrastierend auch die Hinterlassenschaften der Ceausescu-Ära in ihrer grauen Tristesse und ihrem grotesken Protz (gigantomanischer Parlamentspalast: der Palatul Parlamentului!).

 

Grau war leider meist auch das Wetter. Regen und Wolken blieben uns auf unserer Reise treu, sei es auf den kurvigen Gebirgspässen der Ostkarpaten hinüber in die Bukowina mit ihren geometrischen Hausverzierungen und in die armen Moldaudörfer mit ihren verrosteten Wellblechdächern, sei es durch die Pfützen in Bukarest, die unsere festlichen Schühchen auf dem Weg zu unserem Abschiedsabend mit der deutschen Botschafterin durchweichten. So blieb manch landschaftliche Karpatenschönheit leider im Verborgenen.

 

Nicht verborgen (aber stumm) blieben uns dagegen die herrlichen alten Kirchenorgeln. Auch hier bestätigte sich: Armut ist der beste Konservator. Teilweise trafen wir gleich mehrere davon in den Kirchenburgen an, wurden hier doch aus den umliegenden Kirchen Chorgestühle, Orgeln, Bilder, Teppiche…vor Diebstahl in Sicherheit gebracht und oft in liturgisch seltsamerweise aufgereiht, so dass sie den Kirchen zuweilen den Charakter eines Antikmarktes gaben. Die von Emporen herabhängenden orientalischen Teppiche kennzeichnen alle evangelischen Kirchen in Siebenbürgen. Sie wurden als Kirchenschatz über viele Jahre gesammelt, oft von Kaufleuten gespendet. So hielt der Orient auf dem Schleichweg doch noch Einzug, trotz hoher Wehrmauern und Todesorgeln (Apparatur im Wehrgang der Kirchenburg Tartlau) ….

Orgelinteressierte finden einen Bericht über die interessantesten Orgeln unserer Reise von unserem Mitreisenden Herbert Vennemann als Zugabe.

 

Wie verlief nun unsere Reiseroute?

 

Der erste Tag

Hermannstadt (Sibiu) wurde als einer der „Sieben Stühle“ Transsilvaniens gegründet und von Deutschen, Ungarn und Rumänen geprägt. „Stühle“ bezeichnen zum einen ein historisches Gebiet auf dem „Königsboden“ (fundus regius) in Siebenbürgen, zum anderen die Verwaltungseinheiten der Siebenbürger Sachsen vom 13. bis ins späte 19. Jahrhundert. Die sieben Burgen im „sächsischen“ Wappen stehen symbolisch für diese Stühle.

 

Ein erster Stadtspaziergang führte uns durch die Innenstadt, vorbei an der evangelischen Stadtpfarrkirche, dem großen und kleinen Ring, dem Brukenthal-Palais mit der bronzenen Statue Samuel Brukenthals, dem evangelischen Bürgerlichen und Freimaurer, der es unter der Protektion von Maria Theresia zum habsburgischen Gouverneur gebracht hatte, und die am 9.10. 2021 frühmorgens von einem heißblütigen Rumänen mit den rumänischen Tricolorefarben übergossen worden war (blau-gelb-rot). Wir blickten entzückt von der romantischen kleinen Lügenbrücke auf die Altstadtgässchen und hörten vom Wirken des „Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien“ (DFDR) im mittelalterlichen Lutschhaus. Wir staunten über die „Augen von Hermannstadt“, die augenförmigen Dachfenster, die uns aus jedem der roten Dächer anzublicken schienen (Hermannstadt = „rote Stadt“).  Mit EU- Geldern wurde die historische Innenstadt als Kulturhauptstadt Europas 2007 perfekt restauriert, für den Geschmack der Chronistin, die vor 15 Jahren bereits einmal hier war, sogar ein wenig zu perfekt. Lebendigkeit und Charme eines alten verwitternden farblich changierenden Putzes gehen bei einer solchen Restauration auch leicht verloren, was eine gewisse Wehmut hinterlässt. Der Charme der Morbidität eben, der Verwitterungsprozess verbleichender Schönheit. Nun, dann müssen wir den malerischen Verwitterungsprozess eben selbst und leibhaftig übernehmen. We will do our very best. Gerovital, die Wunderhautcreme der alterslosen (und dennoch toten) Ceausescus wird es schon richten. Aber auch als Untoter ist man in Rumänien in allerbester Gesellschaft!

 

An dieser Stelle sei angemerkt: Ich habe mich aus rein pragmatischen Erwägungen dazu entschieden, die Orte zunächst mit ihren deutschen Namen zu nennen. Für uns als Deutsche sind die deutschen Ortsnamen einfach anschaulicher und einprägsamer als die rumänischen und ungarischen Bezeichnungen, die der heutigen politischen Realität gerechter würden.

 

Der zweite Tag

Gründlich ausgeschlafen, gestärkt, unverwittert und unverdrossen brachte uns der Bus am nächsten Tag nach Karlsburg (Alba Iulia), der doppelten Bischofsstadt mit ihrer habsburgischen Festung im Vauban-Stil (in den letzten Jahren aufwendig restauriert) sowie der römisch-katholischen und der rumänisch-orthodoxen Kathedrale auf dem Festungsgelände. Aus beiden erklang wunderbar reiner liturgischer Gesang, von Lautsprechern nach draußen übertragen, aus der einen im gregorianischen, aus der anderen im orthodoxen Stil.

Die Stadt stammt aus der Römerzeit, wurde dann von den Slawen wiederbesiedelt, gehörte in der Folge zu Ungarn, bevor sie 1918 wie ganz Siebenbürgen an Rumänien angeschlossen wurde. Das heutige Alba Iulia hat seinen Namen dabei gleich mehrfach geändert: Aus dem römischen „Apulum“ wurde wegen der weißen Mauern zunächst „Weißenburg“, seit der Zeit Karls IV, dem Vater von Maria Theresia, ab 1711 schließlich „Karlsburg“. Die sternförmige Anlage der Festung ist außerhalb der Festungsmauern von Erdanschüttungen umgeben, dem „Glacis“. Sowohl die orthodoxe als auch die katholische Kirche haben hier Priesterseminare. Die römisch-katholische gotische Kathedrale St. Michael hat ihre Ursprünge im Mittelalter, die orthodoxe „Kathedrale der Heiligen Dreifaltigkeit“ wurde 1921/22 erbaut und diente als Krönungskathedrale.  Mit großem Stolz beherbergt Alba Iulia einen Teil des Codex aureus, eines mittelalterlichen Codexfragments, das mit Goldtinte auf Kalbspergament geschrieben wurde. Wir finden hier das Grab von Johann Hunyadi, dem unehelichem Sohn von König und später Kaiser Sigismund von Luxemburg, der als Türkenkämpfer in die Geschichte einging. Im historischen Gedächtnis ist Hunyadi als die Inkarnation christlichen Rittertums verankert. Das Mittagsläuten im Zusammenhang mit Johann Hunyadi wurde vom Papst 1456 angeordnet, um die Gläubigen zum Gebet für einen Sieg der ungarischen Truppen über die Osmanen aufzufordern. Aus dieser Anweisung entwickelte sich die bleibende Tradition eines täglichen Mittagsläutens in den christlichen Ländern, die bei uns als Angelusläuten bekannt ist.

An die Zeit der österreichischen Herrschaft erinnert der k.u.k.-Bahnhof.

 

In Budenbach (Sibiel), einem touristisch aufbereiteten siebenbürgischen Dorf, besuchten wir die kleine gotische Kirche mit gut erhaltenem naiven Ikonenprogramm sowie das Glasikonenmuseum und verzehrten in einem Bauernhaus zum Abendbrot landestypische Spezialitäten. Krautwickel und Polenta konnten wir in ausreichend rumänischem Wein und reichlich Tuica (gesprochen Zuika) baden. Wir saßen fröhlich um große, runde Tische, prosteten uns zu und lernten einander kennen. Mamaliga wird die Polenta hier genannt und die Rumänen spöttisch „Mamaligari“= Polentaesser. Uns hat´s geschmeckt.

 

Der dritte Tag

Am nächsten Tag machten wir uns auf in Richtung Nordwesten und lernten mit Neppendorf (Turnisor), Großau (Cristian) und Großpold (Apoldo de Sus) mit seinen fränkischen Straßenfronten Landler Gemeinden kennen, in denen sich besonders viele im 18. Jh. aus Österreich vertriebene Menschen, die „Landler“, angesiedelt hatten. Sie vermischten sich nur wenig mit den dort lebenden Siebenbürger Sachsen, Mischehen waren verpönt. In Großau begeisterten uns die die Straße säumenden Storchennester. Die Bahn hat von dort eine direkte Verbindung nach Wien. Die Deportation von Protestanten unter Karl VI. aus den habsburgischen Ländern wurde beschönigend als “Transmigration“ bezeichnet und nahm ihren Ausgang in den Jahren 1734–1737. Nach der Wende entschuldigte sich der österreichische Kanzler für das Geschehen.

 

Wir passierten Orlat (im 18. Jh. Habsburgergarnison mit Grenzregiment), Großscheuern (Sura Mare) (mit Schießscharten versehene Wehrkirche), Hahnbach (Hamba) (Bienenzucht des Rücksiedlers Wilhelm Tartler, Herr über 15 Millionen Bienen!).

Die Stolzenburg (Slimnic), eine alte Bauernburg, winkte von den Bergen. König Charles, der eine besondere Beziehung zu Rumänien hat (auch dazu hatte Christian natürlich eine pikante Geschichte bereit, die offizielle Geschichtsschreibung nennt verwandtschaftliche Beziehungen: Königin Maria war eine Cousine von George V), Charles also betreibt in Stolzenburg eine Apfelsaftfabrik. Die Burg verfällt, nachdem das Geld aus einer Münchner Stiftung ausbleibt, die Orgel wurde in Hermannstadt untergebracht.

Allzu gern hätte ich Eginald Schlattner in Rothberg (Rosia) kennengelernt, den 92-jährigen Pfarrer, der, einsam zurückgeblieben, nachdem 1990 die letzten Gemeindemitglieder ausgewandert waren, unverdrossen jeden Sonntag vor leeren Bänken Gottesdienst feiert. „Man verlasse den Ort des Leidens nicht, sondern handle so, dass die Leiden den Ort verlassen.“ schrieb er, der Popa Sasilar, der Sachsenpfarrer. 1933 geboren, war er zwei lange Jahre von der Securitate inhaftiert gewesen wegen „Nichtanzeige von Landesverrat“. Jetzt fährt er wieder Sonntag für Sonntag mit seiner Kutsche durchs Dorf, das jetzt eine Ciganie ist, ein „Zigeunerdorf“. (Dazu später mehr.) Die Fama (Christian) erzählt, einmal habe ihn dabei Otto Schily begleitet. Dieser habe sich so gefreut, wie die hinterherlaufende Schar von Roma Kindern ihm zugejubelt hätten. Nun ja, er konnte nicht rumänisch, sonst hätte er die „Geld, Geld, Geld“- Rufe besser verstanden…. Viele Bücher hat er geschrieben über die Geschichte der Sachsen. Ich glaube, ich hätte ihm ebenso gern zugehört wie seinerzeit Philipp V. Boeselager in seinem Haus in Kreuzberg mit der Inschrift am Türbalken „Etiam si omnes, ego non.“ Aus solch unbeugsamem Holz scheint auch Schlattner geschnitzt.

Wir kamen durch Goldbach (Rosia Montana), wo seit 2000 Jahren Gold abgebaut wird. Kaiser Trajan eroberte wegen der reichen Goldvorkommen das Gebiet im zweiten Daker Krieg und verleibte es dem Römischen Reich als Provinz Dacia ein. Die Daker hatten als „Goldhamster“ überall Gold verbuddelt. Der „Dakische Schatz“ wurde legendär. Derzeit wird in den niederländischen Assen die Ausstellung „Dakien – das Reich des Goldes“ gezeigt, und prompt wurde der Schatz im Januar 2025 durch einen Raub ein wenig kleiner. 

 

Das Gold brachte nicht nur Glück. In Baia Mare (im Nordwesten des Landes) kam es im Januar 2000 zur folgenschwersten Umweltkatastrophe nach Tschernobyl, als der Damm der Goldaufbereitungsanlage brach und sich die giftige Natriumcyanidlauge bis in die Donau ergoss. Das Wasser wurde rot und 1400 Tonnen Fische verendeten. Die deutsche Band Rammstein verarbeitete den Stoff in ihrem Song „Donaukinder“.

 

Donauquell, dein Aderlass,

Wo Trost und Leid zerfließen.

Nichts Gutes liegt, verborgen nass

In deinen feuchten Wiesen.

 

Keiner weiß, was hier geschah,

die Fluten rostig rot,

die Fische waren atemlos

und alle Schwäne tot.

An den Ufern, in den Wiesen

die Tiere wurden krank.

Aus den Auen, in den Fluss

Trieb abscheulicher Gestank.

 

Wo sind die Kinder?

Niemand weiß, was hier geschehen.

Keiner hat etwas gesehen.

Wo sind die Kinder?

Niemand hat etwas gesehen.

 

Mütter standen bald am Strom

und weinten eine Flut.

Auf die Felder, durch die Deiche

Stieg das Leid in alle Teiche.

Schwarze Fahnen auf der Stadt,

alle Ratten fett und satt,

die Brunnen giftig allerorts

und die Menschen zogen fort.

 

Wo sind die Kinder?

Niemand weiß, was hier geschehen.

Keiner hat etwas gesehen.

Wo sind die Kinder?

Niemand hat etwas gesehen.

 

Donauquell, dein Aderlass,

wo Trost und Leid zerfließen.

Nichts Gutes liegt, verborgen nass

In deinen feuchten Wiesen.

 

Wo sind die Kinder?

Niemand weiß, was hier geschehen.

Keiner hat etwas gesehen.

Wo sind die Kinder?

Niemand hat etwas gesehen.

Frauendorf (Axente Sever), 3000 Einwohner, ließ unsere Herzen vor Entzücken höherschlagen, als wir hier unsere erste Kirchenburg (aus dem 14. Jahrhundert) besuchten. Genau genommen ist es eine Kombination aus Wehrkirche und Kirchenburg. Die Welt schien stehen geblieben. Wir standen in einer der imposantesten Wehrkirchen Siebenbürgens mit 6 bis 8 Meter hoher eiförmiger Ringmauer. Wir streiften in der stillen, abgeschlossenen Welt durchs Gras und lugten in die kleinen, mit Anschauungsmaterial aus vergangener Siebenbürger Zeit gefüllten Wohn- und Vorratskammern entlang der Ringmauer unter dem zum Hof abfallenden Pultdach, von denen jede einen eigenen Eingang vom Hof und eine Verbindung zum Wehrgang hat. Wir spazierten durch die kleine Kirche St. Dominik (im flämischen Stil), bestaunten den Barockaltar und fanden das einzige Eckchen im Garten (dicht an der Mauer), von dem aus es gelang, die ganze Kirche aufs Bild zu bekommen. Wir konnten uns aus der friedlichen, besonnten Atmosphäre kaum lösen. Jeden Augenblick glaubte man, ein Huhn um die Ecke gackern oder eine Siebenbürgerin in reicher Tracht aus der Türe treten zu sehen. Aber draußen wartete der Bus.

In Birthälm (Biertan) erwartete uns dann eine der mächtigsten Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen. Auf einem steilen Hügel erhebt sie sich inmitten des Dorfes. Die gotische Hallenkirche wird von drei Ringmauern umgeben, sechs Türmen mit Pyramidendach, zwei Türmen mit Pultdach, sowie – besonders bestaunt – dem Ehegefängnis! Wer wissen will, wie es funktioniert: Scheidungswillige Eheleute wurden so lange hier mit Bett, Tisch, Stuhl, Teller, Tasse und Löffel zusammengesperrt, bis sie sich entschlossen, sich wieder zu vertragen. (Ich wage zu behaupten, dass die Sache wohl auch andersherum funktioniert…) Die Stadt war für mehr als 300 Jahre Bischofssitz der evangelisch-lutherischen Kirche in Siebenbürgen und ist Unesco-Welterbe. Die Birthälmer Kirchenburg war Schauplatz eines großen „Sachsentreffens“.

Kontrastprogramm Klein-Kopisch (Copsa Mica). In Rumänien prallen historische Schönheit und soziales Elend unvermittelt aufeinander. In Klein-Kopisch sieht man die Überreste zweier riesiger Kombinate. Blei und Ruß wurden hier produziert. Der schwarze Ruß überzog alle Häuser. Grundlage ist das Methangasvorkommen. Die Rußfabrik stellte von 1939-1993 eine gigantische Giftküche dar, die Buntmetallfabrik arbeitete bis 2008. Die Schließung des Kombinats sei eine Bedingung zum EU-Beitritt gewesen. Man (Christian natürlich) sagt, schwarzer Regen sei bis nach Mediasch gefallen, nicht nur die Häuser, auch die gesamte Vegetation sei schwarz gewesen. Viele Fälle von Lungenkrebs seien aufgetreten (ja, die jetzt allseits bekannte Inzidenz!), die Sterblichkeit sei noch heute deutlich erhöht. Das Eisen werde von den Roma recycelt. Ceausescu habe bewirkt, dass der hohe Schornstein erhalten blieb. In seiner (Christians) Jugend sei man vorsichtshalber immer mit geschlossenen Autofenstern durch den Ort gefahren. Und es sei kein Zufall, dass im benachbarten Mediasch ein Bestattungsunternehmen neben dem anderen liege. Honi soit qui mal y pense

Die evangelische Kirche aus dem 12. Jh. weist nur eine niedrige Mauer auf, da die ungarischsprachigen Szekler es hier mit den berittenen Krimtartaren zu tun hatten. Die berittenen Angreifer konnten nicht direkt Mauern erklimmen. Ihre Taktik beruhte auf Überfall und plötzlichem Kavallerieangriff, weniger auf Belagerung mit Geschützen. Im Süden des Landes habe man dicke, hohe Mauern (bis 12m) gegen die türkischen Invasoren errichten müssen, da Türken oft mit größeren Truppen und Belagerungswaffen angriffen.

 

Wir fuhren weiter durch das Kockeltal und passierten Großprobstdorf (Tarnava), das der Probstei von Hermannstadt gehörte und infolge einer Gasbohrung in den 1930er Jahren sieben Jahre lang gebrannt haben soll!

 

Mediasch (Medias), die Stadt an der Großen Kokel, ist bekannt für ihr Kirchenkastell. Die Margarethenkirche im byzantinischen Stil imponiert mit ihrem charakteristischen schiefen „Trompeterturm“. 2,30 Meter weicht er an der Spitze vom Lot ab (Pisa 4 Meter). Das Innere beherbergt die nach der Schwarzen Kirche von Kronstadt bedeutendste Sammlung wertvoller historischer Teppiche und einen bedeutenden spätgotischen Altar. Uns Rheinländern gleich sympathisch war der kleine Turrepitz, das Peterlein, das am Glockenturm mit der rechten Hand das Turmschlagwerk bedient. Carpe diem! Vom 17. Jh. bis 1929 stand der kleine Mann in einer Ecke des Turms. Die Mediascher ruhten nicht, bis er 1982 in einer Nachschöpfung wiederkehrte. Natürlich folgte ihm das „Cafe Turrepitz“ auf dem Fuße! Nach der Wende begründete man den Brauch, beim Tod eines ausgewanderten Mediascher auch in Mediasch die Glocken läuten zu lassen.

 

Über den 68,5 Meter hohen „Trompeterturm“ wird erzählt, dass die Stadtväter von Mediasch mit dem Stephansdom in Wien wetteifern wollten, als sie sich vor mehr als fünfhundert Jahren anschickten, ihren alten Kirchturm um drei Etagen aufzustocken. Bereits 1551 erreichte der Turm seine heutige Höhe. Ebenfalls seit dieser Zeit zieren bunt glasierte Ziegeln sein Dach – auch dies eine Antwort auf das bunte Dach von St. Stephan in der Donaumetropole. Wer die Margarethenkirche besucht, wird einen weiteren Beweis für den Stolz der alten Mediascher finden: Auf dem Kreuzigungsbild des Flügelaltars steht das Kruzifix vor der Kulisse des mittelalterlichen Wiens, aber die Hügelkette im Hintergrund ist das Kokeltal bei Mediasch. Wien als irdisches Jerusalem an der Kokel – welch kühne Metapher des Bürgerstolzes von Anno 1500!

Bei der Aufstockung 1550/51 erhielt der Trompeterturm vier kleine Türmchen in jeder Ecke des Turmdaches, in jener Zeit ein Zeichen dafür, dass Mediasch die „jus gladii“ besaß, das Recht, mit dem Schwert zu strafen, also die Todesstrafe zu vollziehen. Der „Mediascher Stuhl“ besaß eine eigene Gerichtsbarkeit und das Recht zur Selbstverwaltung. In einem dieser Türmchen wohnte der Turmwächter, der viele Kilometer weit ins Land blicken konnte und die Aufgabe hatte, die Trompete zu blasen, wenn Gefahr drohte, sei es im Falle eines Brandes, eines drohenden Überfalls oder anderer Gefahr. Es wird gesagt, dass er für falschen Alarm zur Strafe von der Spitze des Turms geworfen worden wäre. Weiter nach Osten steht der sogenannte Seiler- oder Speckturm mit regelmäßig angeordneten Gusslöchern. Er wird bis heute zum Trocknen von Schinken genutzt.

Hermann Oberth, einem siebenbürgischen Raketenpionier (1894-1989), der 1935 während seiner Zeit als Lehrer in der Mediascher Fliegerschule seine erste Flüssigkeitsrakete hatte steigen lassen, wurde im Ort ein Gedenkhaus gewidmet. Seine 100 Seiten starke Dissertation „Die Rakete zu den Planetenräumen“ (1923) war bahnbrechend. Mediasch mit seinen 40.000 Einwohnern gilt deshalb als eine „Wiege der Raumfahrt“. 

 

Als einem weiteren bedeutenden Mediascher sei hier noch Stephan Ludwig Roth gedacht, geboren 1796 in Mediasch, Pfarrer und Lehrer, 1849 in Klausenburg nach dem Sieg der ungarischen Armee über den Kaiser standrechtlich erschossen. Roth hatte sich für das Pestalozzische Gedankengut in der Pädagogik eingesetzt. Er hatte Widerstand gegen die starken Magyarisierungstendenzen gezeigt und war bei den Ungarn der meistgehasste Sachse.

Doch Roth endete seinen Abschiedsbrief an seine Kinder:

So sei es denn geschlossen in Gottes Namen.

Klausenburg am 11. Mai 1849

Stephan Ludwig Roth.

Ev. Pfarrer in Meschen.

Nachträglich muss ich noch dazusetzen, dass ich weder im Leben, noch im Tode ein Feind der ungarischen Nation gewesen bin. Mögen sie dies mir als dem Sterbenden auf mein Wort glauben, in dem Augenblick, wo sonst alle Heuchelei abfällt.

 

Wir passierten Elisabethstadt (Dumbra veni), die eine vorwiegend armenische Bevölkerung hat und deshalb auch „Armenienstadt“ genannt wird. Viele Armenier kamen aus der Moldau, wo sie schon seit dem 14. Jahrhundert heimisch waren, am Ende des 17. Jahrhunderts nach Siebenbürgen, wo ihnen drei Städte zugewiesen wurden. Sie unterstützten Kaiser Franz I. mit Geld und wurden dafür mit Rubensbildern belohnt. Die Basilika ist katholisch und mittlerweile magyarisiert. Es werden noch die alten armenischen Lieder gesungen, aber sie werden nicht mehr verstanden. Seit einem heftigen Gewitter fehlt ein Turmhelm und wurde nie ersetzt.

 

Wir beendeten den Tag in Schäßburg – Sighisoara (30.000 Einwohner), dessen historisches Zentrum, die Burg, ebenfalls Weltkulturerbe ist. Wir eroberten sie mit Hilfe eines Bähnleins.  Der Name „Schäßburg“ kommt vom Schaaser Bach, lernten wir, und dass der wiederum mit Scheiße zu tun habe. Der 64 m hohe „Stundturm“ ist Wahrzeichen der Stadt, leider war er schon geschlossen. Das Obergeschoss trägt wiederum als Zeichen der „Blutsgerichtsbarkeit“ seitlich vier Türmchen. Das erkannten wir mittlerweile auf Anhieb. Das Uhrwerk ist mit einem Figurenspiel gekoppelt. Die Türme der Stadtbefestigungen tragen die Namen von Zünften. Die Burg wurde im 15. Jh. errichtet und im 17. und 18. Jh. umgebaut. Die Ringmauer ist fast vollständig erhalten. Vlad Tepes, den Bram Stoker zum legendären Dracula machte, soll in Schäßburg geboren sein. Wir verzichteten auf den reichlich infantilen Gruseleffekt, uns kostenpflichtig kreischend an die Beine grabschen zu lassen. Die alten Treppen zur Bergkirche, die die Schüler täglich erklimmen müssen, stellten dagegen eine den tapfersten von uns willkommene sportliche Herausforderung dar. Wer seinen Rucksack in der Kirche stehen gelassen hatte, durfte anschließend noch mal rauf….

Wir übernachteten in Schäßburg. Es gab auch was zu essen. Noch Fragen?

Der vierte Tag

Szekler-Gebiet. Infolge der Hunnenkriege kam es zur Landnahme im Jahr 896 durch ungarische Stämme, die sich dann weiter nach Westen ausdehnten. 1000 n.Chr. wurde der ungarische Staat gegründet und

Stephan I. als König eingesetzt. Im 12. Jh. wurde die ganze pannonische Ebene einverleibt. Als Hilfsvolk des römischen Reichs verteidigten die Ungarn die Grenze gegen Osten, vor allem gegen die Tartaren. Sie entwickelten eine eigene runenartige Schrift. Heute ist das Szeklerische eine Mundart der ungarischen Sprache.

In Neumarkt am Mieresch (Targu Mures, auch Tirgu Mures) beeindruckte uns der Kulturpalast im ungarischen Jugendstil mit seinen Majolika Ziegeln und der mosaikverzierten Fassade. Hohe Szeclertore mit ihren kunstvollen Holzschnitzereien und Löchern für die verstorbenen Seelen und die Tauben, blau-silberne Fahnen, Tulpensymbole, Adlersymbole der ungarischen Adligen, aber auch Palinka, Langos, Baumstriezel, Gulasch zeigten uns, Neumarkt ist ungarisch dominiert. Auch die „Zigeuner“ sprechen hier meist ungarisch. Es gibt hier sogar eine private Universität in ungarischer Sprache. Ungarischer Jugendstil ist überall im Stadtbild vertreten, durchmischt mit Neoklassizismus, barocken Palästen, sozialistischen Relikten; ein buntes Stilgemisch.

Wir schlenderten mit unseren Schirmen über den Rosenplatz, an dessen einem Ende wir die imposante griechisch-orthodoxe Kirche, am anderen die griechisch- katholische fanden, dem Petersdom nachempfunden. Auch diese ist aber mittlerweile orthodox, weil sie nicht zurückgegeben wurde. Eine große Ikonostase finden wir dort mit neuen Bildern und rumänischer Schrift.

Und in den Innenhöfen der Altstadt? Bordelle, viele Bordelle. Neumarkt sei berühmt dafür, hörten wir. Nach Budapest könnte man von hier mit WizzAir fliegen oder in 12 Stunden mit der Bahn dort sein. Das Szeklerland dehnt sich bis nach Sächsisch-Reen (Sächsisch-Regen, Reghin), der Stadt des Regens und der Geigen. Dahinter ist es wieder sächsisch besiedelt. Wenig Industrie finden wir hier, dafür viele Storchennester. Die vier Türmchen zeigen uns wieder: Neumarkt hat eine eigene Gerichtsbarkeit.

In Tekendorf (Teaca), einem sächsischen Dorf mit gotischer Kirche aus dem 13. Jh.  wurde die evangelische Kirche der orthodoxen Kirche übergeben und so vor dem Verfall nach Weggang der Sachsen 1944 gerettet.  Wo diese Übergabe nicht erfolgt ist, wurden die evangelischen Kirchen bald Ruinen. Auch dafür sahen wir Beispiele.

Dürrbach (Dipsa) ist berühmt für seine „Kirche mit der Sau von Dipsa“. Was hat es mit der Sau auf sich? Die Dürrbacher vergruben ihre Wertsachen aus Angst vor den Tartaren. Und wer buddelte die Wanne später zur Freude der Dürrbacher wieder aus?  Nun, die Sau. Dass sie zum Dank eine Statue vor der Kirche, einer romanischen Basilika, bekam, ist ja wohl das Mindeste….

Vorbei an Mönchsdorf (Herina) erreichten wir weiter nordöstlich Bistritz (Bistrita/ Nösen), das Zentrum des „Nösnerlandes“. Das snerland ist eine historische Region in Nordsiebenbürgen. Es ist der nördlichste Ausläufer des Königsbodens. Bistritz gilt als das Tor nach Transsilvanien.

Bistritz war im 14. Jh. ein bedeutendes Handelszentrum auf dem Weg nach Lemberg (Galizien). Wohlhabend wurde es durch sein Stapelrecht, einen Feilbietungszwang der durchreisenden Kaufleute.

Die evangelische Stadtkirche aus dem 15. Jahrhundert mit ihrem 75 Meter hohen Turm wurde während Renovierungsarbeiten (!) 2008 durch ein Feuer schwer beschädigt. Dumm gelaufen….

Der Kornmarkt ist ein Handelskomplex. Gehandelt wurde hauptsächlich mit Salz (sarazel). 22 Passagen, ursprünglich für die Feuerwehr gebaut, geben der Stadt heute ein schönes Stadtbild. Der hohe Kirchturm hat sogar einen Aufzug, den wir aber nicht nutzten, da es zum einen natürlich wie immer regnete, zum anderen Bistritz gerade recht für unsere Mittagspause kam (was bedeutete, eine junge Frau mit dem Verlangen nach 20 Cappuccini und einigen Sandwichs gnadenlos zu überfordern. Unsere Geduld fast auch.). In Bistritz schrieb der Kronstädter Adolf Meschendörfer (1877-1963) seine herzergreifende und von den Siebenbürgern quasi als Hymne unendlich wiederholte „Siebenbürgische Elegie“: 

Anders rauschen die Brunnen, anders rinnt hier die Zeit.
Früh faßt den staunenden Knaben Schauder der Ewigkeit.
Wohlvermauert in Grüften modert der Väter Gebein,
Zögernd nur schlagen die Uhren, zögernd bröckelt der Stein.
Siehst du das Wappen am Tore? Längst verwelkte die Hand.
Völker kamen und gingen, selbst ihr Namen entschwand.
Aber der fromme Bauer sät in den Totenschrein,
Schneidet aus ihm sein Korn, keltert aus ihm seinen Wein.
Anders schmeckt hier der Märzenwind, anders der Duft von Heu,
Anders klingt hier das Wort von Liebe und ewiger Treu.
Roter Mond, vieler Nächte einzig geliebter Freund,
Bleichte die Stirne dem Jüngling, die der Mittag gebräunt,
Reifte ihn wie der gewaltige Tod mit betäubendem Ruch,
Wie in grünlichem Dämmer Eichbaum mit weisem Spruch.
Ehern, wie die Gestirne, zogen die Jahre herauf,
Ach, schon ist es September. Langsam neigt sich ihr Lauf.

Wir fügten uns in das eigene Erleben der „anders rinnenden Zeit“, stemmten uns aber erfolgreich dem Bistritzer Weltschmerz entgegen und machten uns auf in die Berge, ehe auch wir „in den Grüften vermoderten“. Irgendwann war der Cappuccino auch schließlich da, wir klappten die Schirme ein und machten uns an die Bezwingung der Ostkarpaten über den 1155 Meter hohen Borgopass (Tihutapass), der Bistritz mit dem Wintersportort Vatra Dornei im Osten verbindet, bevor die Straße dann weiter über die Bukowina in die Moldau führt. Noch heute haben in der dünn besiedelten waldreichen Mittelgebirgslandschaft Bären und Wölfe ihr Zuhause. Man sagt, dass der Ausblick am Tihutapass traumhaft schön sei. Wir ließen uns zwei Minuten vom kalten nassen Wind umstürmen und mussten es einfach glauben.  An diesem Tag in den Karpaten bedauerten wir besonders, dass unsere Rumänienwoche eine Woche in Wolken, Regen und Nebel war.

Die Südbukowina, in der wir uns bis auf 30 km der ukrainischen Grenze näherten, erfreute uns mit ihren typischen geometrischen, meist schwarz- weißen Verzierungen der Häuser. Wie bestickt sahen sie oft aus! Der nördliche Teil der Bukowina liegt auf ukrainischem Territorium, die südliche Hälfte ist Teil des Kreises Suceava. Die Bukowina war zusammen mit dem östlich gelegenen Bessarabien jahrhundertelang Teil des 1359 gegründeten historischen Fürstentums Moldau. Im Südwesten liegt Siebenbürgen, im Nordwesten Ostgalizien. Ein „homo bucovinensis“ ist zur Bezeichnung für einen toleranten Menschen geworden, der mindestens zwei Sprachen spricht. Die Hauptstadt der Bukowina ist das ukrainische Czernowitz.

Der fünfte Tag

Mit der Moldau lernten wir einen sehr armen Landstrich kennen. Die Häuser waren mit verrostetem Wellblech gedeckt. Es fehlten die liebevoll und kunstvoll geschnitzten Szeklertore oder die schönen großen Toreinfahrten der Sachsen. Aber: mit den Moldauklöstern kamen wir zum zweiten großen Höhepunkt der Reise.

Aber stopp, erst das Eiermuseum in Varma. Zumindest wissen wir jetzt, wie es geht. Einfach ausblasen und einige Tage in Salzwasser legen, damit die Schale aushärtet. Dann kann es losgehen, und wenn man denn die Himmelsgeduld aufbringt, scheint es nichts zu geben, was man nicht auf einer Eierschale verewigen könnte, sei es ein traditionelles moldawisches Muster, sei es das Konterfei von Angela Merkel.

Jetzt aber auf zu den Klöstern! 

Die bekanntesten Kirchen und Klosterkirchen Rumäniens, weltweit als Moldau-Klöster bewundert, befinden sich im nordöstlichen Teil des Landes in der Region Moldau und wurden im 15. und 16. Jahrhundert erbaut. Sowohl die Außenmauern als auch die Innenwände wurden mit Fresken bedeckt.

Die Fresken gelten als Meisterwerke der Byzantinischen Kunst. Sie wurden von rumänischen, teilweise unbekannt gebliebenen Malern geschaffen und sind einmalig in Europa. Die Fresken stellen Szenen aus der Bibel und dem Leben Jesu dar, sie zeigen Heilige und Propheten, Engel und Dämonen, den Himmel und die Erde. Ganze Wände wurden ursprünglich innen und außen komplett bemalt. Durch die Witterung sind an manchen Wänden (generell an den Nordwänden und denjenigen, wo die Kirche von keiner Schutzmauer geschützt ist) die wertvollen Fresken teilweise oder ganz zerstört, bei den meisten sind aber bis heute die geheimnisvolle Farbe und die Darstellungen sehr gut erhalten. Die Fresken dienten einerseits dazu, die Bibel den Menschen nahe zu bringen, die nicht lesen konnten (ähnlich wie die Fenster und die Skulpurenprogramme unserer gotischen Kathedralen) und andererseits jenen einen Blickkontakt mit der Religion zu ermöglichen, die aus verschiedenen Gründen die Kirche nicht betreten durften. Auch die Austeilung der hl. Kommunion geschieht in den orthodoxen Kirchen vor der Tür.

Fast alle mittelalterlichen rumänischen Kirchen in der Moldau-Region sind sehr niedrig und klein gebaut, um den Osmanen und Tataren das Betreten der Kirche auf dem Pferd zu erschweren.
Bis heute kennt man die Technik der Freskenmalerei nicht genau. Berühmt wurde die blaue Hintergrundfarbe am Kloster Voronet als Voronetblau (entsprechend dem Tizianrot oder dem Veronesegrün). Man weiß, dass die Maler auf nasse Wände gemalt haben, in welche sie große Löcher gebohrt hatten, durch die Farbpigmente heute unbekannter Pflanzen und Mineralien tief in die Wand eindringen und so bis heute erhalten bleiben konnten. Auch hierzu war unser Christian bestens informiert: Nicht Lapislazulimehl könne es sein, was die Wände so intensiv blau färbte, wie lange vermutet. Der Farbwechsel unter Feuchtigkeit zu grün lasse eher annehmen, dass es sich um Azurit handle, das sich in Malachit umgewandelt habe. Wir glauben es ihm.

Gleich sieben der Moldauklöster wurden im Jahr 1993 und Kloster Sucevita im Jahr 2010 zu UNESCO-Denkmälern erklärt.

Drei davon durften wir besichtigen und bestaunen. Von innen kannten wir schon Architektur und Ausmalung griechisch- orthodoxer Kirchen. Aber diese Außenfresken! Unser Christian hatte zu tun, uns viele der biblischen Details der zumindest auf den wetterabgeneigten Seiten großartig erhaltenen Fresken zu erläutern!

An der von Wehrtürmen und Mauern umgebenen Kirche des Klosters Moldovita (1532) im Dreikonchentypus mit fünf Räumen sahen wir die Darstellung des Jüngsten Gerichts und die Belagerung von Konstantinopel an der Südfassade.

An der Nordfassade der Kirche des Klosters Sucevita, deren Fresken innen und außen vollständig erhalten sind, bewunderten wir die „Stufenleiter der Tugenden“, auf der die Teufel versuchen, die auf der Himmelsleiter hinaufsteigenden, wie Mönche gekleideten Menschen in die Höllenschlucht zu ziehen, während über der Leiter Engel schweben.

Als Schatz wird in einer silbernen Kapsel im Klostermuseum das abgeschnittene Haupthaar der ehrgeizigen Bojaren-Königin Elisabeth gehütet, die ihren Schwager um die Ecke brachte, dafür aber später als Haremsdame geendet haben soll.

Und zum Schluss der Höhepunkt, Kloster Voronet. Diese Kirche wird wegen der exzellenten Fresken auch „Sixtinische Kapelle des Ostens“ genannt. Die gesamten Westaußenwand ziert die Darstellung des Jüngsten Gerichts. Auch die Philosophen des Altertums, Aristoteles, Sokrates, Platon (keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu Mitreisenden, vermute ich. Aber kann man sicher sein?) sind als Propheten gewürdigt.

Viele junge Schwestern leben in diesen Klöstern. Nachwuchssorgen haben orthodoxe Klöster nicht, ermöglicht doch der Eintritt in ein Kloster der bitterarmen Bevölkerung Moldaus ein weitgehend sorgenfreies Leben mit gesicherter Existenz.

Der Tag endete im Hotel in Humorului.

Der sechste Tag.

Weiter ging es durch die Bicaz-Klamm. Nach so viel Kultur noch mal ein (erfolgreicher) Versuch, uns mit Natur zu beeindrucken.  Wen wundert‘s: Sie war eng, schwer eindrucksvoll und schwer zu fotografieren. Ein paar Buden mit chinesischen Waren im Rumänienstil passten neben den Touristenbussen aber immer noch rein. Das wäre doch gelacht!

Woher bezieht der „Rote See“ seinen roten Schimmer? Sind es Mineralien, oder ist es das Blut der von den Felsmassen Zerschmetterten? Wir sind in Rumänien, also wohl Letzteres. Die Mittagspause ließen wir uns dadurch allerdings nicht trüben. Kaffee und Baumstriezel schmecken überall, auch angesichts blutrünstiger und schauriger Legenden.

Nicht weniger blutig ging es weiter: In Tartlau (Prejmer) (berühmte Kirchenburg!) wagten sich Unerschrockene durch den schummrigen Wehrgang mit all seinen Stolperfallen. Die „Todesorgel“ sieht harmlos aus wie ein hölzernes Zigarettenetui für Riesen, diente aber dem effizienten Töten osmanischer Bedroher dank eines „praktischen“ Drehmechanismus.

Sie wurde der Legende nach unter dem ungarischen König Sigismund von Luxemburg entwickelt. Auf einer Art Wippe konnten mehrere Gewehre nebeneinander platziert und abgeschossen werden. Die Wirksamkeit der Waffe war so berühmt, dass sie zur nationalen Legende wurde. Wir sind auf dem Weg zum Maschinengewehr. Schnell zurück in das Museum mit viel Volkskunde und Einblicken in das tägliche Leben in der Kirchenburg.

Endlich mal wieder eine richtig große Stadt: Kronstadt (Barsov) (250.000 Einwohner), im frühen 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden gegründet und historisch eins der Zentren der Siebenbürger Sachsen. Und nicht nur das: Sie war der Geburtsort eines unserer Mitreisenden! Wir bewunderten das Haus, in dem der Herr Papa die Frau Mama kennengelernt hatte und freuten uns mit unserem Reisefreund, der Familiengeschichte wiederzubegegnen. Der berühmteste Kronstädter ist allerdings der Humanist Johannes Honterus (1498-1549), der die Reformation nach Kronstadt brachte. Seit 2017 ist Kronstadt „Reformationsstadt Europas“. 1987 gehörte Kronstadt zu den ersten Städten Rumäniens, in denen Arbeiter sich im „Aufstand von Brasov“ gegen die Ceausescu-Diktatur erhoben. 1996 ernannte die Stadt 50 Todesopfer der Revolution von 1989 zu Ehrenbürgern der Stadt. Auch ein Grund zur Freude: Ein außergewöhnlich gutes Hotel mit vorzüglicher Küche und eine „Runde“ unseres spendablen Kronstädters!

Natürlich wussten wir, was sich gehört und würdigten selbst nach langer ermüdender Busfahrt an diesem Tag noch die Schwarze Kirche mit ihrer Buchholz-Orgel, das Alte Rathaus, den Marktplatz mit seinen spätmittelalterlichen Bürgerhäusern und das Katharinentor von 1559 als Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Die Schnurgasse ist die drittengste Gasse Europas.

Der siebte Tag

Unweigerlich geht es Richtung Süden. Eine letzte, diesmal ovale Kirchenburg: Honigberg (Harman) und eine Bauernburg: Rosenau (Rasnov).

Honigberg, Kronstadt, Rosenau, Tartlau liegen zusammen mit elf weiteren Gemeinden im sogenannten Burzenland.

Das Burzenland liegt in einem weiten Talkessel, der vom Burzenbach (Barsa) durchflossen wird. Diese Lage machte es zu einem strategisch wichtigen Grenzgebiet zwischen Siebenbürgen, der Walachei und Moldau. Das Burzenland war das erste große Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen ab dem 12. Jahrhundert, die im Auftrag der ungarischen Könige zur Grenzsicherung und Landesentwicklung angesiedelt wurden. Es wurde vom Deutschen Orden zwischen 1211 und 1225 verwaltet. Der Orden errichtete Burgen und begann die planmäßige Kolonisation, bevor er vom ungarischen König Andreas vertrieben wurde. Zentrum ist Kronstadt. Typisch sind massive Kirchenburgen (Honigberg, Tartlau, Petersberg), die sich in Stil und Wehrhaftigkeit von den Kirchenburgen des Nösnerlands oder der Hermannstädter Gegend unterscheiden. Der städtische Charakter Kronstadts war stärker mitteleuropäisch geprägt, das Burzenland war überwiegend deutsch- sächsisch, aber durch seine Grenzlage auch multiethnisch (Rumänen, Ungarn, Szekler). Durch seine Lage entstand eine stärkere Verbindung zum Karpatenhandel und zu den südlichen Nachbarn (Walachei). Die Burzenländer Sachsen galten als wohlhabend, städtisch und gut organisiert (Zünfte, Schulen, Kirchenordnung). Wegen seiner Grenzlage zur Walachei war das Burzenland häufiges Ziel von Angriffen (Tartaren, Osmanen). Daraus entwickelte sich die besonders starke Befestigungskultur mit Wehrkirchen, Stadtmauern und Türmen.

Sehr viele Burzenländer leben heute in Dinkelsbühl und Crailsheim, wo sie gut organisiert sind, und ihre Traditionen pflegen.

Jetzt aber: Dracula at his best: Die Höhenburg in Törzburg (Bran), Draculas kuschelige Heimat, zumindest der Legende und der Geschäftstüchtigkeit des jetzt in den USA lebenden fürstlichen Besitzers zufolge. Ich wage es kaum zu wiederholen: Wir verzichteten auf die Innenbesichtigung. Phantasialand haben wir auch in Deutschland. Lieber wollten wir noch ein bisschen mehr Zeit haben für Bukarest, was dann letztlich bedeutete: Die meiste Zeit regengeschützt im Bus durch Bukarester Prachtalleen und Altstadtstraßen zu kurven, abends in unserem Hotel mit der netten deutschen Botschafterin zusammenzutreffen und nach einem kurzen Vortrag und Fragestunde dann mit ihr bei ohrenbetäubendem Lärm das Abschiedsessen in einem nicht ganz passenden, überfüllten Touristenlokal mit kostümierter Tanzgruppe zu verbringen. Das nennt man Folklore. Nun ja, Graf Dracula weiß sich auf seine Weise zu rächen.

Was war nun eigentlich mit unserem legendären Dracula? Ist der erfunden oder gab es ihn wirklich? Tatsächlich gab es einen Graf Dracula, der mit bürgerlichem Namen Vlad III Tepes (Vlad, der Pfahler) hieß und auch Vlad Draculea genannt wurde. Er war der Sohn von Vlad II. Dracul, das Mitglied des „Orden des Drachen“ war, einer vom ungarischen König gegründeten christlichen Rittergemeinschaft zur Verteidigung des Glaubens. Das rumänische Wort „drac“ bedeutet sowohl „Drache“ als auch „Teufel“. Vlad Tepes wurde um 1431 in Schäßburg geboren. Auf Schloss Bran (Törzburg) hat er nie gelebt. Vlad III. regierte mit Unterbrechungen über 30 Jahre lang die Walachei. Er kämpfte erbittert gegen das Osmanische Reich. Bekannt wurde er

für seine grausamen, aber strategisch wirksamen Methoden, besonders das Pfählen seiner Feinde. Seine Brutalität machte ihn einerseits zum Schrecken seiner Feinde, andererseits zum

Symbol des Widerstands in Rumänien. Der irische Schriftsteller Bram Stoker ließ sich bei seinem 1897 erschienenen Roman „Dracula“ vom Namen inspirieren, aber die Romanfigur ist rein fiktiv.

Auch das ist Rumänien: Die Fahrt aus der Moldau herunter in die Walachei über nicht enden wollende Landstraßen (Autobahnen gibt es in Rumänien noch immer kaum), bewirkte, dass der Chronistin über ihrer Schreiberei so übel wurde, dass sie das Tablet schließlich zuklappte, aus dem Fenster schaute, und statt schreiben, schreiben, schreiben, war atmen, atmen, atmen angesagt. Ansonsten war es schön zwischen Humorului, Törzburg und Bukarest…. Sicher hätte es auch da noch eine Menge zu würdigen und zu notieren gegeben. Christian hat  auch an diesem Tag nahezu pausenlos gezeigt und erzählt und erklärt und gespottet. Aber wenn einem schlecht ist, ist einem schlecht, und dann will man nicht, dass einem noch schlechter wird und man schließlich statt schriftlicher Ergüsse andere produziert. Jede Selbstaufopferung hat ihre Grenzen, und jedem geht mal die Luft aus. Deshalb fällt Tag sieben knapper aus. Ich bitte um mitfühlendes Verständnis.  Böse Zungen behaupten, der liebe Gott hätte da seine Hand im Spiel gehabt…

 

Der achte Tag

Bukarest: Palast des Volkes. Tja, was soll man sagen? Man war im Trockenen. Man hat schon anheimelndere Schuppen erlebt. Es waren etliche Quadratmeter. Symmetrisch war es auch und die Treppenhäuser nicht so schrecklich eng. Die in Heltau (Cisnadie), der Weberstadt mit dem Frauenüberschuss, gewebten Vorhänge tonnenschwer. Die Lüster auch. Viel, viel Marmor.  Aber irgendwie hat‘s der Junge ein bisschen übertrieben. Um offen zu sprechen: Es ist größenwahnsinnig, monströs, aberwitzig groß und in gigantischer Hybris dem Personenkult eines einzigen Menschen geweiht. Das alles auf dem Rücken des Volkes. Und wenn man am Ende erschossen wird, weil man immer nur sich selbst im Glanz des Protzes gesonnt hat, dann hat es ja auch nicht so nachhaltig Sinn gehabt. Sein Volk bluten zu lassen und selbst marmorn zu versteinern, war eben noch nie die beste Idee. Man merkt, der Chronistin fällt so recht nichts mehr ein, wenn sie in diesen unheiligen Hallen steht. Vielleicht soll das auch so sein. Ja, einschüchternd war‘s. Und fröstelnd. Schaurig begann unsere Reise inmitten der Godesberger Nacht, schaurig und blutrünstig neigte sie sich mit Vlad Tepes und Nicolae Ceausescu dem Ende zu.

Aber dann gab es ja ein nettes uriges Brauhaus mit warmem Süppchen und gutem Bier und nettem Geplauder, und man war wieder mit der Welt versöhnt.         

Und dann ging es nach Hause, ins Flugzeug, in den Bus, ins Taxi, ins Bett. Nachgeholte Abschiedsgrüße in die WhatsApp-Gruppe. Ende der Rumänienfahrt.

 Danke, liebe fröhliche, interessierte, unverdrossene Reisegruppe, danke, lieber Herr Schweitzer, danke, Christian, danke Rumänien, schillerndes, vielsprachiges, zerrissenes, geschundenes, wolkenverhangenes, geisterhaftes Rumänien. Du warst eine Reise wert, und wie!

 Halt, einen kleinen Nachschlag hätte ich noch. Was heißt einen? Zwei, drei!

Die heißen

1.      Roma in Rumänien

2.      Kleine Geschichte der Siebenbürger Sachsen

3.      Siebenbürgen als Orgelland (von Herbert Vennemann)

 

Zugabe 1: Roma in Rumänien

Das ist ein schwieriges Kapitel. Zu deutlich wurde aus den umfangreichen Schilderungen unseres rumänischen Reiseführers die kollektive rumänische Verachtung für das Sozialverhalten dieser Bevölkerungsgruppe, als dass ich diese hier als Informationen kolportieren möchte. Im Internet erfährt man vieles über die tief verwurzelte Armut und soziale Ausgrenzung, Alltagsdiskriminierung, mangelnden Zugang zu Bildung, hohe Arbeitslosigkeit, gesundheitliches Risiko und geringere Lebenserwartung. 

Offiziell sind in Rumänien 537.000 Roma registriert. Die Zahlen sind allerdings umstritten, weil viele sich nicht als Roma deklarieren oder in offiziellen Statistiken nicht erfasst werden. Viele haben keinen festen Wohnsitz oder sind nicht gemeldet. Ihre tatsächliche Zahl wird auf 1,8-2,5 Millionen geschätzt, rund 10% der Bevölkerung.

Die Roma-Gemeinschaft ist nicht homogen, sondern umfasst viele Subgruppen mit unterschiedlichen Lebensweisen, Traditionen und finanziellen Verhältnissen. Ein hoher Anteil der Roma lebt in extremer Armut, 78 % der Roma in Rumänien sollen armutsgefährdet sein und 53 % schwere materielle Deprivation erfahren. Die Wohnverhältnisse sind oft mangelhaft: fehlender Anschluss an Wasser und Abwasser, überbelegte Wohnungen, informelle Siedlungen.  Viele Roma bewohnen in Siebenbürgen die von den ausgereisten Deutschen hinterlassenen Häuser. Die Beschäftigungs- und Bildungszugänge sind stark eingeschränkt. Die Erwerbsquote liegt deutlich unter dem Landesdurchschnitt.  Viele Roma-Kinder verlassen die Schule früh, nehmen seltener am regulären Unterricht teil oder sind von Segregation betroffen. Teils werden sie wie in Indien von den Eltern zum Betteln geschickt statt zur Schule. Offenbar sind Bettelreisen nach Westdeutschland häufig. Die mangelnde Bildung wirkt sich negativ auf spätere Berufschancen aus. Die Diskriminierung gegenüber Roma ist weit verbreitet: Vorurteile, Stereotype, soziale Ausgrenzung. Es gab und gibt Fälle von Gewalt, Räumung von Siedlungen und segregierende Maßnahmen gegen Roma. Die rumänische Regierung hat bereits 2001 eine Strategie zur Verbesserung der Lage der Roma” verabschiedet. Damit ist die National Agency for the Roma (ANR) als Regierungsbehörde betraut. Programme existieren also, aber oft fehlt es an ausreichenden Mitteln, Monitoring und Beteiligung der betroffenen Roma-Gemeinschaften. Die Situation bleibt herausfordernd – vor allem in ländlichen Regionen, Slums oder in Siedlungen mit schlechter Infrastruktur. Auch EU-Institutionen fordern eine bessere Kontrolle über die Mittelverwendung und wirksamere Integration. Angela Merkel habe die Roma in Rumänien tatkräftig unterstützt, heißt es. Die Lage der Roma in Rumänien ist nicht nur eine Minderheitenfrage, sondern eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderung, wirkt sich ja die Ausgrenzung einer so großen Bevölkerungsgruppe auf die Gesamtgesellschaft aus.

Laut Christian sind die Roma (in seiner Diktion immer „Zigeuner“) im 10. Jh. aus Nordindien (Rajasthan) über den Iran und das byzantinische Reich eingewandert (was die bunten Gewänder der Frauen erkläre). Der Name Tigan (Zigan) komme aus dem Griechischen, bedeute „unberührbar“ und sei dadurch erklärt, dass die Mitglieder noch im indischen Kastensystem lebten.

Er sprach über Ausbeutung der armen durch reiche Roma, über Betteltransporte in den Westen, über Zwangsverheiratung von Kindern, Verkrüppelungen, Verhinderung von Schulbesuch, von Gewalt, vor allem gegenüber Frauen, von Kriminalität.

 

Kontrastierend zu der vorherrschenden prekären Wohnsituation der Roma gibt es bei den circa 20 Prozent begüterten Roma auch eine ganz andere Art des Wohnens, besser gesagt architektonischer Repräsentationen: die „Zigeunerpaläste“.

Besonders viele davon sind in den Dörfern der „Kalderasch“ zu sehen, der „Kesselflicker“, die an ihrem breiten schwarzen Hut zu erkennen sind, den sie von den „sächsischen“ Männern übernommen haben. Die Kupferschmiede sind eine Romagruppe, die erst in den 1960er Jahren sesshaft geworden sind. Sie bearbeiteten traditionell Kupfer aus verschiedenen Quellen und sind damit sehr reich geworden. Mit ausgeprägtem Unternehmergeist begannen sie nach der Wende damit, ihren Unterhalt im Altmetallhandel zu verdienen. Sie bauten sich dann oft riesige Paläste, die aber nicht fertig gebaut wurden und lebten nur in 1-2 Zimmern, zuweilen sogar in der Garage oder einem Zelt neben dem Haus. Architektonisches Vorbild sind die Maharadscha Paläste. Sie sind leicht kenntlich an ihrer spezifischen Architektur: Pagoden über Pagoden mit Blech und Zinntürmen, goldstrotzend, oft mehrstöckig, mit Säulen und breiten Balkonen, reich verziert und exzentrisch. Marzipanrosa Marmor, Lakritz schwärze Fliesen, überdimensionierte Hufeisen, Dollarzeichen, blumige Kapitelle… Mit glitzernder Schmiedekunst wetteifern die Erbauer um das eindrucksvollste Dachgestühl der oft vierstöckigen Stufendächer, die buntesten Erker und Fassaden, die reichste Verzierung mit blechernen Fahnen, Fischen oder Sonnen, die am reichsten verzierten Regentraufen, die sich kunstvoll von den silbrig schimmernden Dächern winden.

Der rumäniendeutsche Architekt Rudolf Gräf, Stadtplaner in der westrumänischen Stadt Timisoara (Temeschwar) und Vizepräsident der rumänischen Architektenkammer, veröffentlichte 2007 darüber das Buch „Zigeunerpaläste. Die Architektur der Roma “, in dem er sie „palatele tiganesti“ nennt und bezeichnet sie als ein Phänomen, das in Europa seinesgleichen sucht. Viele dieser Häuser seien nach westlichem Verständnis keine Paläste, auch wenn ihre Besitzer sie so bezeichneten. Ein Großteil sei jedoch aus billigen Materialien ohne Bauplan gebaut und besitze lediglich Elemente, die auf einen Palast hindeuteten. Meist habe eine Großfamilie sie finanziert. Die neuen Häuser nutzten sie weniger als Wohnraum, als Prestigeobjekt, das die Familie repräsentiere. Bei den Kalderasch sei die „gute Stube“, in die die Gäste geführt würden, eben ein ganzes Haus, in dem man die wichtigsten Familienanlässe begehe, Geburt, Hochzeit, Totenaufbahrung. Das tägliche Leben spiele sich hingegen im Freien und in der Sommerküche ab, im Winter lebe man auch in garagenartigen Räumen des Palastes. Bei seinen Recherchen 2003/2004 habe er auch Roma getroffen, die neben ihrem neuen Haus noch immer in einem Zelt gelebt hätten. Die Häuser seien Symbol für den Übergang von der nomadischen zur sesshaften Lebensweise und Symbol für die Traditionen der Kalderasch. Viele Häuser verfügten über keine Toilette, der profane, von sog. unreinen Elementen geprägte Alltag habe in den Prestige- und Festräumen nichts zu suchen.

Teils leben die Tigans in „Tiganies“ zusammen. Ganze Dörfer werden nahezu ausschließlich von Tigans bewohnt, vor allem in den von den Deutschen verlassenen Dörfern Siebenbürgens.

 

Zugabe 2: Kleine Geschichte der Siebenbürger Sachsen

Siebenbürgen wird oft mit einer natürlichen Festung verglichen, da es von den Karpaten, die die Alpen von Wien fortsetzen und in einem großen Bogen nach Westen in die West- und dann Südkarpaten übergehen, umschlossen und gegen die pannonische (ungarische) Tiefebene abgegrenzt wird. Siebenbürgen selbst ist ein Bergland mit Hochebenen, z.B. dem Burzenland. Es ist reich an Naturschätzen, v.a. den Energieträgern Erdgas und Steinkohle. In den mittelalterlichen Schriften wird Siebenbürgen „terra ultrasilvana“ oder „Transylvania“ genannt, also „Land jenseits der Wälder“, was auf den Waldreichtum hinweist. Der Name „Siebenbürgen“ entstand bald nach der Ansiedlung von Deutschen und bezieht sich auf die Verwaltungsstruktur der „Sieben Stühle“. Aufgrund seiner besonderen geopolitischen Lage als Schnittpunkt zwischen Ost und West und zwischen Nord und Süd war es oft Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen. Viele Völker sind durchgezogen, von denen sich manche als ethnische Gruppe bis heute erhalten haben. Seit Jahrtausenden leben hier Menschen verschiedener Volkszugehörigkeit, Religion oder Konfession neben- und miteinander. Neben den seit 1150 eingewanderten Deutschen (Lutheraner) sind das Rumäne (rumänisch-orthodoxe Christen), Ungarn (Calvinisten, Katholiken oder Unitarier), Szekler (eine spezifische magyarische ethnographische Gruppe), Roma (oft orthodoxe Christen, in den letzten Jahren zunehmend Pfingstler), Juden (meist mosaisch), Armenier, Griechen, Slowaken, Ukrainer.

Die Siebenbürger – und die Rumänen insgesamt – beziehen sich historisch auf die römische Provinz Dakien (Dazien).  Hinweise liefern die römischen Gold- und Salzbergwerke (z.B. in Cacica). Die Daker wurden 106 n.Chr. durch Trajan in das Römische Reich eingegliedert und romanisiert, aber schon 100 Jahre später wieder aufgegeben. Unter bulgarischer Herrschaft wurde Rumänien ab 300 christianisiert. Seit 600 n.Ch. sickerten slawische Stämme ein, seit 1000 n.Chr. magyarische Reitervölker. Stephan der Heilige vollzog den staatlichen und kirchlichen Aufbau von Weißenburg (Alba Iulia) aus. Die Szekler wurden als Grenzwächter eingesetzt und mehrfach umgesiedelt. Die deutschen Siedler wurden im 12. Jh. vom ungarischen König zum Schutz der Krone vorwiegend in die Gegend um Hermannstadt (Sibiu) gerufen und ihnen ein Siedlungsgebiet zugewiesen. Es waren Gemeinfreie und niedrige Adlige, die „Gräven“. Die Hermannstädter Provinz hieß später das Gebiet der Sieben Stühle.

Die deutsche Besiedlung des Burzenlandes geht auf Gründungen des Deutschen Ritterordens zurück. Die deutschen Siedler unterstanden unmittelbar dem König, keinem Grundherrn („Königsboden“). Ihnen wurden umfangreiche Rechte zugestanden. Die Ansiedlung von Deutschen in Siebenbürgen war Teil der Ostkolonisation. Der Name „Sachsen“ wurde den deutschen Siedlern von den Ungarn gegeben. Mögliche Urheimat war das damalige Gebiet des Kölner Erzbistums, Zwischenheimat das Erzbistum Magdeburg, Schlesien, Oberzips. 1241 zerstörte ein Tartaren Einfall Bistritz, Klausenburg, Kronstadt, Hermannstadt und Weißenburg. Weitere Tartaren Einfälle 1285, 1395 und 1420 führten zum Bau von Stadtbefestigungen und Kirchenburgen. Hermannstadt und Kronstadt galten als uneinnehmbare Festungen. Um die Vorräte zu sichern, entstanden Kornkammern innerhalb der Wehrmauern der Kirchen, in denen auch Speck und Räucherwaren aufbewahrt wurden.

Im 17. Jahrhundert bildete sich unter der massiven türkischen Bedrohung eine „Heilige Liga“ aus österreichischem Kaiser, Papst, Venedig und Polen, deren Heer Wien aus der Klammer des türkischen Großwesirs befreite. Siebenbürgen wurde Teil des Habsburgerreichs.

Mitte des 18. Jh wurde der evangelische und bürgerliche „Sachse“ Samuel von Brukenthal Berater von Maria Theresia und stieg zum höchsten Staatsamt in Siebenbürgen auf. Er schenkte seine Sammlungen und sein Vermögen dem Hermannstädter Gymnasium. (Brukenthalmuseum). Er entwickelte ein gerechteres Steuersystem, eine modernere Verwaltung und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. 1876 wurde der „Königsboden“ (und damit die Autonomie der Sachsen) aufgehoben. Nach der Einigung der Fürstentümer und der vollständigen Unabhängigkeit 1878 entstand der moderne rumänische Staat. Die Kirche blieb intakt und unterhielt das Schulwesen. Sie wurde Symbol der Einheit der Siebenbürger Sachsen und durch den Sachsenbischof repräsentiert. Vor allem die Bischöfe Teutsch fühlten sich als Führer der Sachsen. 

Ende des 19. Jh. begann unter dem Druck der Getreidezölle die erste Auswanderungswelle, vorwiegend in die USA. Bei Beginn des 1. Weltkriegs verhielt sich Rumänien zunächst neutral, erklärte aber zwei Jahre später Österreich-Ungarn den Krieg und besetzte Südsiebenbürgen. 1918 begann die Donaumonarchie, sich aufzulösen. Die Rumänen Siebenbürgens erklärten den Anschluss an Rumänien, der Zusammenschluss der Siebenbürger Sachsen, der Banater Schwaben, der Sathmaner Schwaben, der Deutschen in der Bukowina, Altrumänien und der Dobrudscha sowie der Bessarabiendeutschen folgte 1919. „Großrumänien“ entstand.

1940 musste Rumänien Bessarabien und die Nordbukowina an die UdSSR abtreten. Siebenbürgen wurde geteilt. Nordsiebenbürgen mit dem „Szeklerzipfel“ fiel an Ungarn. Mittel- und Südsiebenbürgen blieben bei Rumänien. 1941 trat Rumänien an der Seite Deutschlands in den Krieg ein. Die politische, kulturelle und wirtschaftliche Organisation der Volksgruppe wurde nach reichsdeutschem Vorbild gleichgeschaltet.

1944 wechselte Rumänien auf die Seite der Alliierten. Die Deutschen in Nordsiebenbürgen wurden evakuiert, Südsiebenbürger interniert und verschleppt.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde Rumänien eine kommunistische Diktatur unter Nicolae Ceausescu. Ein Massenexodus der Deutschen folgte, in einer ersten Welle 1947, in einer zweiten 1965. 1978 vereinbarten Bundeskanzler Schmidt und Ceausescu eine verstärkte Aussiedlung von Deutschen im Rahmen der Familienzusammenführung. Deutsche wurden freigekauft. 1989 Sturz der Regierung und Bildung einer parlamentarischen Demokratie. Fast alle restlichen Deutschen übersiedelten nach Westdeutschland, einer Massenflucht gleichend. Nur wenige alte „Sachsen“ blieben in Rumänien. Die verlassenen Häuser wurden zumeist von Roma übernommen. Die Rumäniendeutschen schlossen sich im „Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien“ zusammen.

 

 

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