Verteidigung Europas – was jetzt zu tun ist

Prof. Dr. Carlo Masala

Der Politikwissenschaftler zu Gast im Internationalen Club

Beitrag: Susanne Langguth

 Vor einem mehr als vollen Haus konnte Prof. Dr. Tilman Mayer, Präsident des Internationalen Clubs wieder einmal einen langjährigen wissenschaftlichen Weggefährten begrüßen: Carlo Masala, bekannt durch seine Bücher und seine entschiedenen Auftritte im Fernsehen zu aktuellen sicherheitspolitischen Themen.  Tilman Mayer eröffnete die Veranstaltung mit dem Hinweis Masalas, dass die internationalen Beziehungen zur Zeit kaum steuerbar geworden seien, Staaten würden sich sehr egoistisch verhalten. Carlo Masala griff dieses Eingangsstatement auf, in dem er Shakespeare zitierte ‚Die Welt ist aus den Fugen‘  und auf aktuelle Konflikte wie Israel/Hamas, Russland/Ukraine, Aserbaidschan/Armenien und die Sahel -Zone, wo die Wagner-Truppe ‚befriedend‘ eingegriffen habe, hinwies. Er fasste die Situation mit dem Satz zusammen: ‚Um uns herum brennt die Welt‘, die Geschichte mit ihren Krisen und Kriegen habe die Welt wieder eingeholt, auch Europa.

 Masala geht von folgenden Annahmen aus:

–   Die Welt ist im Umbruch und auf der Suche nach einer neuen Weltordnung, in der nicht mehr die USA die Vorherrschaft haben.  Dies erklärt den Egoismus vieler Staaten und die unruhige politische Weltlage.

–   China und die USA werden die künftigen Antipoden sein; zwischen China und USA kann es zu einer bipolaren Weltordnung kommen, was nicht heißt, dass es zu einer Rüstungspolarität kommen muss. Für die USA bedeutet Bipolarität eine Schwächung im Verhältnis zu heute.

–   Das Hauptaugenmerk der amerikanischen Politik wird Asien bzw. China gelten, da sie alles versuchen wird, den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas zu verhindern.

–   Der Globale Süden wird sich wie ein neutraler Beobachter verhalten, aber versuchen, Vorteile von beiden Seiten abzugreifen. In Sachen Rüstung öffnen er sich gerade gegenüber dem Westen, wegen deren besserer Qualität, zum Thema Israel/Hamas haben sie sich vom Westen abgewandt.

–   Deutschland als ‚Export-Weltmeister‘ und als ein Gewinner der Globalisierung, ist von der derzeitigen unruhigen bzw konfliktreichen Weltlage schon alleine wirtschaftlich besonders betroffen. Deutschland durchlebt gerade sozusagen die Schattenseite der Globalisierung.

–   Unabhängig davon, wer der nächste US-Präsident sein wird, werden die USA ihren Schutzschirm über Europa künftig verringern. Wie weit die USA sich zurückziehen werden, dürfte allerdings vom Amtsinhaber abhängen. Sollten die USA soweit gehen und sogar den US-atomaren Schutzschirm für Europa entziehen, fehlten für die nächsten zehn Jahre strategische Abwehrwaffen. In jedem Fall muss Europa viel mehr Verantwortung für seine äußere Sicherheit übernehmen.

 Im Hinblick auf die Sicherheit Europas und Deutschlands angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und im Lichte eines Rückzugs der USA, sieht Masala unter anderem folgende Punkte:

–   Europa muss zu einer realistischen Einschätzung der imperialen Politik Russlands kommen und bereit sein, diese neo-imperiale Politik einzudämmen.

–   Dazu gehört nicht nur der Wille aufzurüsten, sondern auch der Wille zum Einsatz, wenn es z.B. darum gehen sollte, die baltischen Staaten zu verteidigen. Sollte Russland den Eindruck gewinnen, dass die NATO – zumal militärisch überlegen – ihre Mitglieder nicht aktiv verteidigt, könnte die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs Russlands z.B. auf die baltischen Staaten steigen.

–   Als eine kritische Zeitspanne gilt die Zeit zwischen November 2024 und Januar 2025, in der die USA mit der Präsidentschaftswahl beschäftigt sein dürften.

–   Das Hochkommen von rechtspopulistischen, Putin zugewandten Parteien macht eine starke europäische Außen- und Sicherheitspolitik zunehmend schwieriger und schwächt die EU.

–   Die imperiale Politik Russlands zeigt sich bei weitem nicht nur im Krieg gegen die Ukraine. Vielmehr praktiziert Russland seit langem eine hybride Kriegsführung die sich in Cyber-Attacken, Desinformationskampagnen, Sabotage und nicht zuletzt in Unterstützung von extremistischen Parteien zeigt. Dies dient der Destabilisierung der Gesellschaft. Deutschland hat dies zu lange nicht ernst genommen.

–   Die wichtigste und schwierigste Herausforderung dürfte es sein, die Bürger mitzunehmen und sie auf veränderte Verhältnisse einzustellen: Weniger Wohlstand, mehr Steuern für den Verteidigungshaushalt, Wehrbereitschaft oder Vergleichbares, mit einem Kalten Krieg leben,  es gibt einen Feind, Heimat, Vaterland…. Was ist uns unsere demokratische und freiheitliche Gesellschaftsordnung wert?

Mucksmäuschenstill war es im Beethovensaal, obwohl Prof. Masala lange sprach.

Mucksmäuschenstill!