© Hans-Werner Lamberz
Brigitte Seebacher
Historikerin
Der lange Abschied der Sozialdemokratie
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Bericht über den Vortrag von Professorin Dr. Brigitte Seebacher am 16.01.2024
Präsident Professor Dr. Mayer begrüßt die Vortragende Frau Professor Dr. Seebacher und die anwesenden Mitglieder zum Neuen Jahr und zeigt die wenig optimistischen politischen Gegebenheiten des kommenden Jahres auf: den Neoimperialismus grausamer Art der Sowjetunion und nach dem heute erfolgten Caucus in Iowa das mögliche Wiedererstarken D. Trumps. Die Stabilität Europas ist damit gefährdet wie seit den 60er Jahren nicht mehr!
Frau Seebacher erläutert die Chronologie der Sozialdemokratie seit Lassalle, Bebel und Liebknecht. Sie zieht in ihrer frei vorgetragenen Rede eine eindrucksvolle tour d`horizon von Lassalle, der das Programm des „Allgemeinen Arbeitervereins“ verfasste, über 30-35 Prozent aller deutschen Wählerstimmen in den Nachkriegsjahren und das Godesberger Programm von 1958, in dem sich die Arbeiterpartei öffnete für breite bürgerliche Schichten, bis hin zu den Vorsitzenden Brandt und Schmidt. Dabei führt sie aus, dass zunächst für die Arbeiterschaft das Wahlrecht und die Anerkennung des Wertes der Arbeit erkämpft werden sollte. Ein Streben nach einer Gesellschaft mit Arbeit, aber ohne Kapital. Ein utopisches Zusammenleben ohne Klassen und ohne Krieg! In diesem Kontext zitiert sie Otto Wels, Vorsitzender von 1919 bis in die Zeit des Nationalsozialismus, der mit den Worten “Freiheit und Leben kann man uns nehmen, aber die Ehre nicht“ das Nein zum Ermächtigungsgesetz am 23.03 1933 als einziger Partei im Parlament begründete. Die SPD wurde 1933 dann als „volks- und staatsfeindliche Organisation“ eingeordnet und Sozialisten erlitten Inhaftierung, Folter und Tod. Nach dem Zweiten Weltkrieg erstarkte der Zusammenhalt der Sozialisten sofort wieder und die SPD erfreute sich bei den Wahlen 1949, 1953 und 1957 großen Zulaufs mit einem Drittel aller Wählerstimmen.
Das Godesberger Programm löste sich von Marx, wandelte die SPD von einer Arbeiter- zur Volkspartei und bekannte sich zum Bürgertum. Brandt, ein überzeugter Anti-Nazist, vertrat die Strategie, dass eine Einheit von Berlin und dem übrigen Deutschland nur MIT der Sowjetunion zu erreichen wäre. In 1973 wies die Partei bereits ca. 1 Million Mitglieder auf, mehrheitlich unter 35 Jahren und kaum Arbeiter. Junge, ehrgeizige Intellektuelle wie Schmidt, Schröder oder Lafontaine klopften an die Türen der Macht. Der innere Zusammenhalt der Partei zerbrach, da die ursprünglichen Ziele für die Arbeiter erreicht waren. So verendete eine große Bewegung. Seebacher betont, dass die Partei nie Krieg oder Diktatur über das deutsche Volk gebracht hat und dass auch in anderen Ländern Europas die Sozialdemokratie verschwunden ist.
Seebacher geht leider nicht auf die Rolle der SPD bei der Nachrüstungsdebatte ein. Ebenso setzt sie den Erfolg der CDU nicht in Beziehung zu der Entwicklung der SPD. Wäre nicht auch eine Definition neuer visionärer politischer und sozialer Inhalte möglich gewesen, um die Partei wieder zu profilieren? In der Diskussion kommt freimütig heraus, dass sie die derzeitigen Vorsitzenden der SPD für schwach erachtet.
Eigener Nachtrag: Sie trat nach ihrer Ehe mit Willy Brandt (1983-1992) im Jahr 1995 aus der SPD aus.
Dorika Seib