
©Reiner Zensen
Prof. Dr. Christiane Woopen
Direktorin des Center for Life Ethics an der Universität Bonn
Politik und Moral
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Politik und Moral
Vortrag: Prof. Dr. Christiane Woopen (Direktorin des Center for Life Ethics, Uni Bonn)
Ihrem Dank für die „gehaltvolle Einführung“ des Präsidenten, Prof. Dr. Mayer, ließ Frau Prof. Woopen einen fulminanten Streifzug durch die sich jüngst gewaltiger denn je auftürmenden Fragen zum Verhältnis von Politik und Moral folgen, den das Auditorium in der Redoute in den Bann schlug. Bei der Herausforderung, Trump und Thiel mit Rawls, Sandel Co. in einen Kontext zu setzen, helfen die Begriffe Macht, Gerechtigkeit und Verantwortung. Wenn es um Politik als Beruf geht, steht Max Weber bereit und ohne Hannah Arendt geht es beim Thema Herrschaft natürlich nicht. Soviel zum Grundsätzlichen. Ihre Diagnose: Politik und Moral sind nicht nur nicht unvereinbar, Politik braucht Moral. Politiker und Aktivisten missbrauchen sie allerdings zuweilen, wenn sie sie instrumentalisieren oder Argumente ideologisch aufladen. Der Souverän ist dafür nicht generell unempfänglich. Kritik ist leicht, Verzicht nicht. In diesem Zusammenhang thematisiert Frau Prof. Woopen aktuelle politische Aspekte wie die gerade in Zeiten globaler Märkte verbreitete Fokussierung auf Effizienz und Steigerung des Sozialprodukts, beide langfristig betrachtet vielleicht gar nicht die größten Herausforderungen dieser Zeit, sondern vielmehr die Stärkung der Beziehung zwischen Politik und Gesellschaft sowie ein geringeres Maß an Ungleichheit und eine ausgewogene Generationengerechtigkeit. Im positiven Fall orientiert sich nicht nur dabei Politik an Moral. Wenn die Entscheidungsgrundlage komplex ist, hilft oft (nur) das Gewissen, wusste schon Helmut Schmidt.
Geschichten kann man so oder so erzählen, Streit um Narrative sei legitim, solange Einigkeit herrscht, dass zugrunde liegende Moral nicht richtig oder falsch, aber eine maßgebliche Kategorie ist, und solange debattiert wird, was wahr und was unwahr ist, nicht aber negiert wird, dass Wahrheit existiert. Wer letzteres versucht, dem darf und muss sich der Rechtsstaat entgegenstellen, leidenschaftlich, verantwortungsbewusst und mit Augenmaß (Weber lässt grüßen) – und gut kommuniziert. Politik beeinflusst Moral!
Die Fragerunde knüpft nahtlos an die vorgetragenen Aspekte an, mit der kulturellen Prägung von Moral durch die verschiedenen Religionen, mit Chancen und Gefahren durch Digitalisierung, Vielfalt von Medien und Künstlicher Intelligenz mit Blick auf individuelle Selbstbestimmung und Entscheidungsfindung in Staat und Unternehmen sowie im privaten Umfeld. Wie oben gilt auch hier, Wachsamkeit sei geboten, denn moralische Integrität ist oft gefährdet, mindestens betroffen.
Frau Dr. Woopen schließt mit dem einprägsamen Bild, Politik sei ein Balanceakt auf einem Spinnennetz über einem Haifischbecken mit der Moral als Balancestab. Den Tenor ihres Vortrags in einem Satz zusammenzufassen ist angesichts der „Wickedness“ der Thematik gewagt bis verwegen, dennoch ein Versuch: Gutes Beispiel verdirbt schlechte Sitten;-).